Heimspiel als Triumphzug: Martin Grau wird Deutscher Meister
DM in Nürnberg: Biengartener im Trikot des LSC Höchstadt in souveräner Manier – 26.07.2015 20:18 Uhr
HÖCHSTADT – Woran erkennt man einen wahren Champion? Vielleicht auch daran, dass er in der Stunde des Triumphes an andere denkt. Martin Grau hatte jedenfalls nach seinem ersten Deutschen Meistertitel über 3000 Meter Hindernis schon bald den Kopf frei für Freunde, Fans und Verwandte.
„Ja, ich bin schon sehr glücklich, gab er im Interview zu Protokoll. Aber ob er der Glücklichste von alles sein? „Wenn ich meine Eltern so sehe, die über alle Backen strahlen, glaube ich das fast nicht“, sagt er grinsend. Und auch sonst hat er viele Fans im Stadion glücklich gemacht, denn es war nicht nur der einzige fränkische Titelgewinn bei den diesjährigen Meisterschaften in Nürnberg, sondern auch der erste überhaupt bei einer DM der Erwachsenen für seinen Verein LSC Höchstadt und für den ganzen Landkreis Erlangen-Höchstadt überhaupt.
Und noch einen will Martin Grau unbedingt glücklich machen: seinen Zwillingsbruder Bastian. Eigentlich könnte er nach den für ihn traumhaft verlaufenen Wochen mit dem Gewinn der Universiade in Südkorea und jetzt auch dem der DM gemütlich die Beine hochlegen, denn die Norm für die Weltmeisterschaft in Peking Ende August hat er – einziges Manko der Saison – verfehlt.
Ambitionen mit der Staffel
„Aber ich habe schon noch ein paar Saisonhöhepunkte: Zum einen das Höchstadter Meeting am Mittwoch, wo wir Jungs untereinander den Schnellsten über 1000 Meter ermitteln. Das wird wie immer ein geiles Fest. Und am nächsten Wochenende wollen wir bei der deutschen Staffelmeisterschaft in Jena ein Wörtchen bei der Titelvergabe mitreden. Damit der Basti heuer auch noch einen Erfolg feiern kann.“ Der Zwilling hatte nach langer Verletzungspause den Anschluss an die nationale Spitze fast wieder hergestellt, wurde aber von einer erneuten Blessur (Ermüdungsbruch) gestoppt. Für die DM in Nürnberg kam er etwas zu spät in Fahrt. Im Gegensatz zu Martin, der nach Platz zwei im vergangenen Jahr den Titel in Nürnberg generalstabsmäßig geplant hatte – und das gestern auch souverän in die Tat umsetzte. Die Taktik hatte er mit Trainer Markus Mönius erst eine Stunde vor dem Rennen festgelegt. Kurz zuvor beim Aufwärmen hatte ihm nämlich mit Nico Sonnenberg (LG Eintracht Frankfurt) einer der Hauptkonkurrenten gesteckt, dass er für eine hohes Anfangstempo sorgen wolle, um seine Medaillenchancen zu erhöhen. oach Mönius: „Das kam uns natürlich sehr gelegen. Der Nico ist die ersten 1000 Meter mit starken 2:51 Minuten angegangen, das hat den meisten im Feld schon weh getan – und der Martin konnte locker mitlaufen, ohne sich anstrengen zu müssen.“
Keiner kommt mit
Nach 1800 Metern hatte der Topfavorit aus Biengarten aber keine Lust mehr auf taktische Spielchen, zog das Tempo an – und keiner konnte mehr folgen. Und sein Helfer Sonnenberg war der Pechvogel: Nach einem Sturz ging er als Vierter ohne Medaille aus, die Silbermedaille holte sich völlig überraschend der Bamberger Felix Hentschel (8:46,53), der den fränkischen Doppelsieg perfekt machte, Bronze ging an den Berliner Hannes Liebach (8:51,56). Mit Platz sieben musste sich der Ex-Höchstadter Konstantin Wedel begnügen, der zum LAC Quelle Fürth zurück gewechselt ist (8:53,51).
Aber da galten die Ovationen schon dem Lokalmatadoren, der die Favoritenbürde locker geschultert hatte. Martin Grau, nach 8:41,50 im Ziel, ging mit der Frankenfahne auf eine Ehrenrunde und verweilte am längsten in der Nord-Kurve, wo diesmal nicht rotschwarze, sondern orangefarbene Fans den Ton angaben. Ein ganzer Sonderbus und diverse Privatautos hatten sich aus Höchstadt und Umgebung auf den Weg gemacht, um ihren Helden zum Sieg zu peitschen.
Der 23-Jährige wirkt total gelöst, auch bei der Siegerehrung genießt er alles, wie er auch hinterher gesteht: „Als ich die letzten Verfolger abgeschüttelt hatte, habe ich mir nur noch eines gedacht: Konzentrier‘ dich auf die letzten Scheißdinger, die da im Weg stehen, die letzte Runde war dann nur noch zum Genießen.“
„Kein großer Aufriss“
Nach dem großen Bahnhof in Biengarten nach Gold bei der Universiade erwartet er diesmal nicht „so einen großen Aufriss“. Das sei doch nicht nötig, weil doch so viele Biengartener mit dabei gewesen seien in Nürnberg. Das ehre in besonders, dass er sogar Leute begeistern konnte, die sich sonst überhaupt nicht für Leichtathletik interessieren.
Und ein bisschen Ruhe kann dem mittlerweile prominenten Dorfbewohner durchaus nicht schaden. Denn am Mittwoch will und muss er wieder Vollgas geben, denn über 1000 Meter hatte er zuletzt gegen seinen spurtstarken Vereinskameraden Marco Kürzdörfer stets den Kürzeren gezogen. Trotz des bevorstehenden Staffel-Wettbewerbs will er sich da keinesfalls schonen: „1000 Meter hat man nach zwei Tagen raus aus den Beinen, sagt die Trainingslehre.“
Apropos Trainingslehre: Das noch größere Ziel für Martin Grau wartet 2016 mit Olympia in Rio de Janeiro. Die Frage geht an LSC-Cheftrainer Markus Mönius, der lapidar antwortet: „Endlich einmal kontinuierlich durchtrainieren, was im Herbst 2014 wegen der Bundeswehrgrundausbildung nicht möglich war. Heuer wollen wir nach vier Wochen Pause im Oktober/November erstmals mit einem Trainingslager in die Höhe nach Kenia.“
Quelle: Nordbayrische Nachrichten (Holger Peter)